Das strukturierte Vorstellungsgespräch

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Sie kennen das vielleicht auch aus Ihrem beruflichen Alltag: Für eine zu besetzende Stelle sind Bewerbungsgespräche zu führen, um anschließend aus einem gewissen Bewerberpool die bestmögliche Neubesetzung herauszufiltern. Bei individuell geführten Vorstellungsgesprächen häuft sich nun ein Berg von Eindrücken und Gesprächsnotizen an, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine objektive Bewertbarkeit ist dabei in den meisten Fällen sehr schwierig, in aller Regel aber überhaupt nicht möglich. Um diese Unterschiede weitestgehend zu eliminieren und eine möglichst wertneutrale Vergleichbarkeit nach objektiven Kriterien zu ermöglichen, werden wir in diesem Newsletter-Artikel das strukturierte Vorstellungsgespräch (SVG) etwas genauer vorstellen. Was macht nun ein SVG im Vergleich zu einem frei geführten Interview aus?

Der hauptsächliche Unterschied zu einem individuell geführten Gespräch ist, dass das SVG mit einem vorher festgelegten Leitfaden durchgeführt wird. Dabei werden allen Bewerbern für eine vakante Stelle die gleichen Fragen in der gleichen Reigenfolge gestellt, wobei die Fragenstellung genau auf das Stellenprofil abgestimmt ist. Dies zielt darauf ab, stellenrelevante Kompetenzen und Erfahrungen direkt und allgemeinverbindlich abzufragen. Die Gestaltung und Schwerpunktsetzung (fachlich/persönlich) des Fragenkatalogs ist dabei individuell an der zu besetzenden Stelle festzulegen und je nach Qualifikationslevel aufzubauen. Dabei gibt es Bereiche und Fragen, die – unabhängig von Hierarchielevel, Branche und Beruf – bei allen Bewerbern wichtig sind und dementsprechend häufig vorkommen. Diese beinhalten Fragen zur Teamfähigkeit („Welche Rolle übernehmen Sie in einem Team?“), Wechselmotivation („Warum genau haben Sie sich bei uns beworben?“), Belastbarkeit („Sind Sie schon einmal gescheitert?“), Kreativität („Wie gehen Sie vor, wenn Sie keine Lösung für ein Problem haben?“) und der Persönlichkeit allgemein („Was sagen Ihre Freunde über Sie?“). Durch die Mischung aus Verhaltensfragen, situativen Fragen sowie biografischen Fragen entsteht so am Ende ein individuelles aber objektiv vergleichbares Bild der Bewerber.

Wie läuft ein SVG aber nun tatsächlich ab? Ähnlich wie bei einem freien Interview lässt sich das SVG grob in fünf Phasen einteilen: Phase Eins beginnt klassisch mit der jeweiligen Begrüßung, Smalltalk und zwanglosen Eisbrecherfragen, abgerundet durch einen Ausblick auf Gesprächsverlauf und Dauer. Apropos Gesprächsdauer: Als Faustregel sollte ein SVG zwischen 45 und 60min dauern – in speziellen Fällen (Neubesetzung Leistungsträger) kann die Zeit entsprechend länger geplant sein. Die Kennenlernphase, Phase Zwei, mit der ausführlichen Vorstellung der Bewerber als Einstieg in den Hauptteil des Gesprächs schließt sich an. Hier wird ein erster Eindruck der Kandidaten gewonnen. Selbstverständlich können auch offengebliebene Fragen zur Person gestellt werden, beispielsweise um Lücken im Lebenslauf zu hinterfragen. In Phase Drei startet das eigentliche Interview und es werden die vorher festgelegten, strukturierteren Interviewfragen gestellt. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten sollten diese vollständig und in der gleichen Reihenfolge an alle Bewerber gestellt werden. In Phase Vier wird den Kandidaten die Möglichkeit geboten, Rückfragen zu stellen. Insbesondere gut vorbereitete Bewerber werden diese Chance auch nutzen, um Ihr Interesse erneut zu bekräftigen. Sind alle Fragen beantwortet schließt sich Phase Fünf mit dem Gesprächsabschluss an. Hier werden die Kandidaten über die nächsten Schritte im Prozess informiert und anschließend verabschiedet.

Was bringt der ganze Mehraufwand aber für uns als Firma? Die beschriebene Gesprächsstruktur als „roter Faden“ ermöglicht uns das Führen mehrerer gleichartiger Gespräche, in welchen keine wichtigen Fragen vergessen werden. Zusätzlich meistern wir dadurch die Herausforderung, unsere Kandidaten möglichst objektiv einschätzen und vergleichen zu können. Das SVG bietet durch die gleiche Fragestellung Fairness gegenüber allen Bewerbern. Bewusster oder unbewusster Voreingenommenheit können wir so aktiv gegensteuern, um schließlich die bestmögliche Kandidatenauswahl zu gewährleisten. Dass sich durch den exakten Leitfaden in aller Regel kein spontaner Dialog entwickelt, sowie engere Vorgaben für das ganze Gespräch gelten und der Rahmen dadurch starrer ist, wird durch die gewonnenen Vorteile aber mehr als ausgeglichen.

Abschließend ist zu sagen, dass ein SVG generell für jede Stelle und jeden Bewerber geeignet ist, der benötigte Zeitaufwand aber in Relation zur besetzenden Vakanz stehen sollte. Die Praxis zeigt uns dabei immer wieder aufs Neue, dass die Qualität strukturierter Vorstellungsgespräche wesentlich besser ist als jene unstrukturierter Interviews.

Wie genau wir unsere Bewerber beurteilen, auf welche Verhaltensmuster besonders Wert gelegt werden muss und was das alles mit NLP und VAKOG zu tun hat…?

Die Erörterung dieser und weiterer Fragen würde den Rahmen dieses Newsletters komplett sprengen, weshalb wir darauf in den nächsten Ausgaben vertiefend eingehen werden. (D.Stemler)