Mit der Einführung des Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes hat sich eine spannende Neuerung ergeben: Prüfende können in Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen virtuell an Prüfungen teilnehmen. Diese Option wird durch § 42a des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) geregelt und bietet zahlreiche Vorteile – sowohl für die Prüfenden als auch für die Organisation und Durchführung von Prüfungen. Gleichzeitig bringt diese Entwicklung aber auch neue Herausforderungen mit sich, die es zu meistern gilt.
Was ändert sich konkret?
Dank des neuen Gesetzes kann die zuständige Stelle (z.B. die IHK) bestimmen, dass Prüfende Prüfungsleistungen künftig per Videokonferenz bewerten dürfen. Dies gilt insbesondere für Prüfungen, bei denen eine direkte Anwesenheit der Prüfenden bisher erforderlich war, wie mündliche Prüfungen. Um Probleme zu vermeiden und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, sind jedoch strenge Voraussetzungen an diese neue Möglichkeit geknüpft:
1. Konkreter Antrag: Die Regelung findet nur auf Antrag einzelner Prüfer für einzelne Prüfungsleistungen statt und mit der Maßgabe, dass die übrigen Prüfer zustimmen. Es ist also keine allgemeingültige Dauerlösung.
2. Geeignete Prüfungsleistungen: Nicht jede Prüfung ist für die virtuelle Teilnahme geeignet. Die zuständige Stelle prüft daher, ob das Prüfungsformat diesen Ansatz zulässt.
3. Information der Prüflinge: Die Prüflinge müssen mit der Ladung zur Prüfung über das digitale Verfahren informiert werden, damit sie sich darauf einstellen können.
4. Aufsicht vor Ort: Die Prüflinge müssen an einem von der zuständigen Stelle festgelegten Ort unter Aufsicht geprüft werden. Mindestens eine prüfende Person ist immer vor Ort präsent.
5. Technische Voraussetzungen: Die Videokonferenztechnik muss von der zuständigen Stelle festgelegt, barrierefrei und funktionsfähig sein. Außerdem steht eine sachkundige Person bereit, um eventuelle technische Probleme direkt zu lösen.
6. Eingewöhnung mit der Technik: Prüfende und Prüflinge erhalten im Vorfeld die Möglichkeit, sich mit der Technik vertraut zu machen.
7. Keine Aufzeichnung: Datenschutz hat oberste Priorität – die Videokonferenz darf also nicht aufgezeichnet werden. Dies geht auch mit der Nichtöffentlichkeit von Prüfungen einher.
Zusätzlich können Prüfende auch an Sitzungen von Prüfungsausschüssen virtuell teilnehmen und ihre Rechte über elektronische Kommunikationswege ausüben.
Die Vorteile der virtuellen Prüfungsteilnahme
Die digitale Teilnahme eröffnet eine Vielzahl an Chance. Prüfende können ohne Anreise oder langen Aufenthaltszeiten teilnehmen. Dies ist besonders bei großem räumlichem Abstand von Vorteil und erleichtert die Planung. Die digitalen Optionen machen es einfacher, Prüfende für verschiedene Standorte zu gewinnen und die paritätische Zusammensetzung des Prüfungsausschusses zu gewährleisten. Außerdem spiegelt die Integration von digitalen Lösungen in den Prüfungsalltag die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt wider und bereitet Prüflinge auf moderne Arbeitsbedingungen vor.
Herausforderungen und mögliche Risiken
Trotz der vielen Vorteile müssen auch einige Herausforderungen und Risiken berücksichtigt werden. Eine stabile Internetverbindung und funktionierende Technik sind essenziell. Störungen könnten den Prüfungsablauf beeinträchtigen, auch wenn Zeitverluste durch Verlängerungen ausgeglichen werden dürfen. Die virtuelle Teilnahme kann es zudem schwieriger machen, nonverbale Signale der Prüflinge wahrzunehmen, die in mündlichen Prüfungen oft wichtig sind. Und auch wenn keine Aufzeichnung erfolgt, müssen alle Beteiligten sicherstellen, dass sensible Daten geschützt sind und keine unbeteiligten Personen der Prüfung im Hintergrund beiwohnen oder zuhören können.
Fazit: Eine Chance für moderne Prüfungsformate
Die Möglichkeit der virtuellen Prüfungsteilnahme für Prüfende ist ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung und Flexibilität in der beruflichen Bildung. Sie bietet neue Möglichkeiten, Prüfungen effizienter und moderner zu gestalten, verlangt aber auch eine sorgfältige Vorbereitung und klare Regeln, um die Qualität und Fairness der Prüfungen zu gewährleisten.
Für alle Beteiligten – Prüfende, Prüflinge und die zuständigen Stellen – ist dies eine Gelegenheit, den Prüfungsprozess weiterzuentwickeln und an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt anzupassen. Mit der richtigen technischen und organisatorischen Unterstützung steht dieser digitalen Zukunft nichts im Wege. Aber Achtung: Dadurch, dass die virtuelle Teilnahme von Prüfenden nur nach Antrag und Information des Prüflings bei Einladung erfolgen darf, ist diese Option keine Last-Minute-Lösung bei Krankheit oder Ausfall eines Prüfers! (M. Rivera)